Sechs Wochen sind vergangen seit DFB-Präsident Reinhard Grindel unseren Blogeintrag „Sehr geehrter Herr Grindel“ kommentiert und damit bundesweit für Aufsehen gesorgt hat. Nicht viel Zeit, aber mehr als genug, damit ein Ruck durch die Ultraszenen gegangen und der Druck auf den DFB gestiegen ist. Natürlich würden wir nie behaupten, dass unser offener Brief ein Anstoß für irgendetwas war, aber immerhin: es war das erste Mal nach langer Zeit, dass der DFB auf die Forderungen und Nöte von einfachen Fans einging.
Viel geschehen
Seitdem hat der Verband die Kollektivstrafen außer Kraft setzen lassen, während sich Ultras und Vereinsvertreter in Erfurt versammelten. Manch einer glaubt, dass sich die Fronten annähern. Die Chance auf einen Burgfrieden besteht. Andere sehen darin den maximalen Kampf um die Deutungshoheit von deutscher Fankultur. Wer die Äußerungen, und ihre Machart, des DFB-Vize Rainer Koch nach den jüngsten Vorkommnissen in Magdeburg kontrovers verfolgt hat, kann zumindest zu dem Schluss kommen, dass der DFB noch längst nicht klein beigegeben hat.
Trotzdem: es gibt erste Annäherungen. Wie z.B. im aktuellen Interview zwischen Grindel und Michael Welling, Präsident von RW Essen und Fürsprecher aller ambitionierten Regionalligisten.
„Wir reden im DFB intensiv über die Aufstiegsfrage“
Und jetzt? Eine Hauptforderung, ein echtes Anliegen, die dringend notwendige Reform der Regionalliga, will der DFB innerhalb weniger Wochen angehen. Dafür hatte zuletzt 11Freunde geworben, eine Petition gestartet und viele betroffene Vereine mit ins Boot geholt. Wenig verwunderlich, aber umso schöner, also, dass Reinhard Grindel im Interview sagt: „Wir reden im DFB intensiv über die Aufstiegsfrage. Wer sich mit dem Thema seriös beschäftigt, wird schnell erkennen: einen guten Konsens zu finden, ist schwierig. Grundsätzlich halte ich es für richtig, bei einer fünfgleisigen Regionalliga zu bleiben. Die regionale Struktur macht ihre Attraktivität für Zuschauer, Sponsoren und das Fernsehen aus. Wir wollen mit den Klubs im Rahmen von Regionalkonferenzen Optionen diskutieren. Dazu gehört auch ein Modell, das besser ist als die jetzige Regelung und fast alle Wünsche berücksichtigen würde.“
Wahnsinn! Nur, ist das der erhoffte Weg ins Paradies? Oder wird jetzt alles nur noch schlimmer?
Regionalliga. Das klingt für uns, die Fans des SV Meppen, nach grauer Vergangenheit. Nach Siegen in Egestorf/Langreder und Niederlagen gegen St. Pauli II. Warum damit jetzt also noch beschäftigen? – Weil es uns, den Verein, viel mehr betrifft, als wir es uns selbst eingestehen wollen. Denn genauso schnell wie wir über Nacht, aufgrund des einen, wundervoll metallklingenden Pfostenschusses in der 3. Liga standen, kann es wieder runtergehen. Und dann?
Vier Modelle
Laut Medienberichten sind vier Modelle vorstellbar, aber nur die ersten drei wären ab der kommenden Saison durchsetzbar. Wir wollen uns alle einmal genauer ansehen und Vor- und Nachteile darstellen. Denn schon jetzt steht fest: diese Reform ist eine Operation am offenen Herzen.
1. Die Staffelsieger steigen direkt auf. Die 3. Liga hat 5 Absteiger und wird auf 22 Vereine aufgestockt.
5 Absteiger – 5 Aufsteiger aus den Regionalligen. Endlich! Denn Meister müssen aufsteigen. Das ist die Hauptforderung, die es umzusetzen gilt. Jeder, der die fassungslosen Mannheimer, die Kölner und die Jungs aus Elversberg am Saisonende gesehen hat, weiß: so gehts einfach nicht! Mit fünf Auf- und Absteigern müsste zudem nicht einmal die zerbrechliche Regionalligastruktur verändert werden.
Aber die vier Spiele!, rufen Kritiker, wie z.B. Julian Koch von Liga3-online.de. Schon jetzt sei der Terminkalender der Drittligisten völlig überfüllt. Und vier Spiele extra? Das ginge zulasten der Qualität, der Gesundheit usw., zusammen mit den Pokalspielen könnten da um die 50 Spiele zusammenkommen. Wir aber glauben: vier weitere Spiele wären ein fairer Preis für mehr Gerechtigkeit. Und Landespokalspiele als Zusatzbelastung sind zumindest aus unserer Sicht, als Meppener, kein Argument. Wir scheiden eh in der zweiten Runde aus – Hand drauf! Für viele andere Regionalligisten mit verzweigteren Pokalen sieht das anders aus. Viel wichtiger: Zwar steigen fünf statt nur drei Teams ab, aber es sind eben mehr Mannschaften und die Chance eines Wiederaufstiegs würde nahezu verdoppelt werden.
2. 3 Staffelsieger steigen auf. 2 Teams spielen den vierten Aufsteiger aus. Es gibt 4 Absteiger aus der 3. Liga.
Dies hier ist, so hat sich Reinhard Grindel geäußert, ein beliebtes Modell des DFB. Und wir fassen uns an den Kopf. Na klar, das Modell ist irgendwie der größte Kompromiss aller Möglichkeiten. Aber Kompromisse sind manchmal eben nicht die beste Idee. Wer direkt aufstiegt, und wer nochmals spielen muss, entscheidet das Los bzw. eine vorgegebene Reihenfolge. Für die Vereine bedeutet das einen ungleichen Wettbewerb. Man stelle sich vor, der SV Meppen hätte ausgerechnet in seinem Meisterjahr nochmals spielen müssen, hätte – vielleicht wegen eines Pfostenschusses – verloren und wäre nicht aufgestiegen. Wo würden heute die prägenden Figuren des Meisterjahrs spielen? Wahrscheinlich nicht in Meppen. Und während die Mannschaft ihr Kunststück kein zweites Mal wiederholen kann, steigt im kommenden Jahr der VfB Oldenburg auf. Weil in diesem Jahr der Meister aus dem Norden direkt aufsteigt. Glück gehabt – oder eben: wer kann sowas wollen? Nein, diese Reform braucht klarere Ansätze.
3. Die Staffelsieger spielen in einem Fünferturnier die 3 Aufsteiger aus.
Auch diese Option wird vom DFB präferiert. Ein erstes Zeichen, das Modell kritisch zu durchleuchten. Das Turnier, so Grindel, sei ja auch aus marketingtechnischen Gründen attraktiv. Aha, der DFB, der zehn Jahre benötigte, um die 3. Liga erstmals zu vermarkten, schafft es kurzerhand die Aufstiegsspiele zu verkaufen? Warten wir mal ab.
Aber davon abgesehen: Wer nach vier Spielen über dem Strich steht, hat es verdient, auch aufzusteigen. Glück oder Unglück scheinen in dieser Variante weniger wichtig. Nur: haben es die zwei anderen Vereine, die Meister ihrer Klassen, weniger verdient? Haben sie nicht in den 38 Spielen zuvor gezeigt, dass sie aufsteigen sollten? Nein, Meister müssen aufsteigen. Und das hält dieses Modell ebenfalls nicht. Doch dieser Grundsatz muss die Maxime sein. Alle, und nicht ein paar Sieger eines marketingkonformen Turniers des Verbandes, das außerdem die Diskussion über eine Mehrbelastung der Drittligisten („vier weitere Spiele sind wirklich zu viel“ (siehe Punkt 1)) ad absurdum führt. Und was geschieht eigentlich mit dem Tabellenzweiten aus dem Mitgliederstarken Südwesten?
4. Die Regionalliga wird auf 3 Staffeln reduziert. Alle Meister steigen auf.
„11Freunde“ brachte diesen Vorschlag vor wenigen Wochen ins Rennen – und fand schnell breite Unterstützung. Wohl auch, weil alle unbedingt wollen, dass etwas geändert wird. Die 3-Säulen-Struktur geriet aber auch in die Kritik. Weil die Aufteilung, ganz besonders im Nord und Nordosten, schwierig zu realisieren ist. Vereine von der Insolvenz bedroht werden könnten. Kleine Vereine vielleicht den Auflagen nicht Folge leisten könnten. Immerhin würden so alle Meister aufsteigen, aber in ihrer Anzahl nicht mehr als zuvor. Stattdessen müssten die Meister der Oberligen noch mehr Ausscheidungsspiele machen (noch mehr als ohnehin schon, siehe Bremen-Hamburg-SchleswigHolstein). Besonders interessant sind jedoch die Play-Off-Gedanken in der 3. Liga, Aufstiegsspiele aller Zweitplatzierte, um die Regionalligen länger spannend zu halten und, Achtung, die Ausklammerung der als unattraktiv geltenden U23-Teams. Als Option wurde in diesem Zuge übrigens auch eine Aufsplittung in vier Regionalligen vorgestellt. Das alles, also eine Neuaufteilung der Ligenstruktur, ist laut des DFB aber erst nach dem Bundestag 2019 möglich und nur mit einer Zweidrittelmehrheit durchsetzbar. Derzeit scheint der DFB auch keine Sondertagung zu planen.
Was wirklich zählt
Klar ist, die Regionalligareform bietet zahlreiche Möglichkeiten. Leider. Denn es kann richtig gut, oder auch standesgemäß in den Sand gesetzt werden. Immerhin scheint sich der DFB nicht länger den Vereinen zu verschließen. Gut so. Umso wichtiger ist es, dass sich jeder Fan eine, seine Meinung bildet, im Stadion mit dem Nachbar diskutiert und die Diskussion am Laufen hält. Damit nie wieder ein Pfostenschuss für den SV Meppen oder jeden anderen Verein entscheiden muss.