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Mit Sicherheit gelogen

Der SV Meppen will im Heimspiel gegen die Braunschweig die Nordtribüne nicht freigeben. Der Verein begründet das mit Sicherheitsbedenken. Aber ist das überhaupt richtig?

Besondere Anlässe erfordern besondere Maßnahmen. Drei Jahre ist hier nichts passiert, heute wird es mal wieder allerhöchste Zeit.

Der eine oder andere Nordtribünen-Dauerkarteninhaber dürfte sich am Freitagmorgen gewundert haben, als er in sein E-Mail-Postfach geblickt hat (wer nicht, möge vielleicht mal in seinen Spam-Ordner schauen…). Post vom SV Meppen, mit einer pikanten Anmerkung zum Spiel gegen Eintracht Braunschweig. „In Abstimmung mit den sicherheitsrelevanten Behörden werden uns leider zu diesem Spiel keine Heimstehplätze auf der ExxonMobil-Tribüne zur Verfügung stehen“, hieß es da. Als Grund wurde zudem die zu erwartende hohe Kartennachfrage aus Braunschweig angegeben. Dauerkarteninhaber auf der Nord könnten aber in den kommenden Tagen ihre Karte auf einen anderen Platz im Stadion umbuchen. Unterzeichnet war die Mail von Geschäftsführer Ronald Maul.

Die Aufregung war flugs recht groß. Sollten etwa deutlich mehr als die üblichen 10 Prozent des Gäste-Kontingents nach Braunschweig gehen, damit die Eintracht – die sich noch im Aufstiegskampf befindet – womöglich am vorletzten Spieltag eine Party feiern kann? Oder waren es wirklich Sicherheitsbedenken, die zu dieser zunächst einmal seltsam anmutenden Entscheidung führten? Aber falls ja – warum sollte die komplette Nordtribüne als Pufferblock dienen (müssen)?

Ein kurzer Anruf bei der Polizei genügte, um eine Erläuterung zu bekommen. Dort sei man dem Vernehmen nach nicht sonderlich erfreut gewesen über den expliziten Hinweis der angeblichen Abstimmung mit den „sicherheitsrelevanten Behörden“. Die Polizei bestätigte sogar, dass die Entscheidung, die Nordtribüne für Fans des SV Meppen am 7. Mai zu sperren, „ausdrücklich auf Wunsch des Vereins“ gefallen sei. Wirklich sicher sei die Geschichte allerdings wohl noch nicht – denn auf der Geschäftsstelle war offenkundig schon am Freitagvormittag der Gegenwind spürbar. Überraschend!

Zusammengefasst: Der SV Meppen plant(e?), seine eigenen Fans, seine eigenen Zuschauer, seine eigenen Dauerkarteninhaber am 7. Mai von ihren gewohnten Stammplätzen zu vertreiben. Und zwar mit einer dreisten Lüge. Mit dem Ziel, offenbar das Stadion möglichst voll zu bekommen. Da stellt sich die Frage: Warum? Am vergangenen Samstag waren 8727 Zuschauer im Stadion, bei einem Spiel gegen Borussia Dortmund II, die mit 120 Personen im Gästeblock standen. 8727 Zuschauer, obwohl der SV Meppen eine miserable Rückserie spielt und mit den Leistungen der vergangenen Monate normalerweise den einen oder anderen Zuschauer verprellt haben dürfte. In wenigen Wochen ist die Ausgangslage gar weitaus ansprechender: Letzter Heimspieltag, ein attraktiver Gegner, Verabschiedungen von altgedienten Spielern und einem Co-Trainer, die den Verein am Saisonende verlassen (müssen), womöglich sonniges Wetter – bei dem die Nordtribüne unzweifelhaft gegenwärtig der beste Platz im Stadion ist. Aber die eigenen Fans, die sollen möglichst Platz machen für eine Braunschweiger Party. Der SV Meppen rollt den roten, ähm, blau-gelben Teppich aus. Dem Vernehmen nach, sollen über 3000 Tickets nach Braunschweig gehen (oder schon gegangen sein?). Verifizieren ließ sich das für uns nicht.

Leider passt diese Frechheit ins Bild, das der Verein auf vielen Ebenen in den vergangenen Wochen und Monaten abgegeben hat. Im Winter war die Stimmung so euphorisch wie lange nicht, das hatte sich zuletzt in Rekordgeschwindigkeit eingedämpft. Das lag nicht einmal nur an den schlechten Ergebnissen, sondern auch an schlechter Kommunikation mit Blick auf die Personalentscheidungen auf der Trainerbank oder auch bei Spielern, nicht zuletzt das mysteriöse Theater um Serhat Koruk.

Zwei Jahre lang konnten die Fans kaum ins Stadion, es wird immer und immer wieder von Vereinsseite betont, wie existentiell wichtig der eigene Anhang für den eigenen sportlichen Erfolg sei. Kaum jemand gab seine Dauerkarte zurück, forderte das Geld zurück, das während den Corona-Einschränkungen quasi wertlos wurde. Sollte es dafür nicht auch mal irgendwann eine Belohnung geben? Bislang ist nichts passiert – stattdessen wird nun versucht, die eigenen Anhänger von ihren Plätzen zu räumen. Mit einer Lüge.

Dieses Verhalten ist unprofessionell, peinlich, beschämend. Der Verein äußerte sich bereits am Freitagnachmittag mit einer Stellungnahme auf den eigenen Kanälen, sprach von „nicht korrekten Statements“. Der Ticketverkauf für das Spiel würde Anfang der Woche beginnen. Es werde noch geprüft – auch mit den „sicherheitsrelevanten Behörden“ – ob die Nordtribüne für die SVM-Fans gesperrt wird. In der Mail vom Freitagmorgen (die uns vorliegt) klang das allerdings noch anders – und wesentlich deutlicher. Es sollte aber bekannt sein, wie der Verein versucht hat, Profit aus möglichst vielen Braunschweigern zu schlagen. Sollte jemand nach diesen krassen Verfehlungen in Zukunft keine Lust mehr haben, den SV Meppen noch in der gewohnten Art und Weise zu unterstützen – es wäre nachzuvollziehen. Mit einer deutlichen Entschuldigung ist es nicht getan.

HN

Hier reGIRTH der S-V-M!

Es gibt dieses eine, sehr nostalgische Video einer Spielzusammenfassung zwischen dem SV Meppen und dem VfB Oldenburg von 1985. Kurz vor Weihnachten, moosbewachsener und tiefer Boden im Emslandstadion. Meppen gewinnt, weil Martin van der Pütten dreimal trifft. Dreimal. Im Derby. Vor vollem Haus. Geile Sache! Und weil Martin van der Pütten nicht nur ein großartiger Stürmer und Mann des Tages, sondern vor allem ein Mann des Volkes ist, stellte er sich nach Abpfiff mit kaltem Bier vor die Kamera und beantwortete Fragen.

Da freu‘ ich mich jetzt schon drauf

Erkenntnis des Journalisten: „Das gibt ja heute eine herrliche Weihnachtsfeier beim SV Meppen.“ Gelassene Antwort von van der Pütten: „Joa, das machst man sagen. Hundertprozentig. Da freu’ ich mich jetzt schon drauf.“

Leider teilte gestern niemand Bier aus. Zumindest nicht auf dem Platz. Was schade ist, denn wir sind uns sicher: Benjamin Girth trinkt gerne Bier. Denn Benjamin Girth ist ein guter Mann. Und ein großartiger Fußballer. Hundertprozentig.

Wie sehr kann ein einzelner Spieler seiner Mannschaft fehlen? Genau diese Frage galt es vor einem halben Jahr zu beantworten. Da kam Benjamin Girth im Training falsch auf, ein Loch an der Stelle, auf die er aufkam nach einem Kopfball. Diagnose: Mittelfußbruch. Meppen im Schockzustand. War jetzt, wenige Wochen vor der sicheren Relegation, schon alles beendet?

Gipsfuß und Krücken

Es kam alles anders. Aber trotzdem: in beiden Spielen war der Mannschaft anzumerken, dass da etwas fehlt. Das Ziel. Denn eine ganze Saison hatte sich darauf ausgerichtet, diese Wucht im Strafraum zu bedienen. Ihn irgendwie in die Position zu bringen, dass Girth treffen musste. Und falls das mal nicht klappte, dann eröffneten sich eben Räume für die Teamkollegen. Das ist bis heute so.

Wie also kann sich ein verletzter Spieler in die Herzen der Fans spielen? Nun, vielleicht genügen die 20 Tore als Kredit. Als Aufstiegsheld würde Benni Girth ja sowieso gelten. Da sind sie im Emsland nicht nachtragend. Oder aber, wenn der entscheidende Elfmeter zentimeterknapp an den Pfosten prallt, dann läuft der Verletzte los. Mit Gipsfuß und auf Krücken. Und das in Rekordgeschwindigkeit. Der schönste Jubel, den Meppen je gesehen hat.

Klar, auf Girth müsse der SV Meppen auch zu Saisonbeginn der 3. Liga verzichten. Dachten alle. Und dann stand der Husar am ersten Spieltag an der Seitenlinie. Bereit zur Einwechslung beim Stand von 1:2. Noch 15 Minuten Zeit. Eine Ewigkeit. Flanke Vrzogic – Kopfball Vidovic – und dann kommt Girth. Halb im Fallen, beim Versuch die letzten Zentimeter zwischen ihm und dem Ball durch einen Hechtsprung vergessen zu lassen, mit der halben Fußspitze ans Leder kommend. Den entscheidenden Impuls mitgebend.

Traumtor des einfachen Mannes

Wie schön kann ein Tor sein, wenn es nicht durch ein an der Mittellinie startendes Dribbling eingeleitet wurde? Ohne Fallrückzieher? Ohne Hacke-Spitze-Eins-Zwei-Drei? Das hier war die Antwort.

Kraftvoll. All den Willen und Schmerz der letzten Monate hineinlegend. Irgendwie auch ästhetisch. Das Traumtor des einfachen Mannes.

Drei dieser Traumtore schoss Benjamin Girth am Samstag gegen Chemnitz. Klar, die Mannschaft hatte alles investiert, um dieses Spiel irgendwie zu drehen. Und es gab andere, die genauso entscheidenden Anteil an diesem Sieg haben. Weil Fußball in Meppen noch immer ein Mannschaftssport ist. Aber Fußball ohne Ziel ist erfolglos. Und Girth ist das Ziel. Waren es wirklich drei Tore? Oder nur Zwei? Oder ist diese Frage nicht Beweis genug, was für einen entscheidenden Anteil Girth an diesem einen Tor hatte. Er, der die Leistung seiner Teamkollegen in Erfolg umwandelt.

Nach dem Tor, dem einen wunderschönen gegen Würzburg, ging ein kurzes Raunen durch Meppen. Girth hatte in einem Interview gesagt: »Wenn Bayern anfragt, würde ich nicht Nein sagen«.

Eine Statue auf dem Vorplatz

Vielleicht wurden danach in der Kabine häufiger die Toten Hosen gespielt. Mit der Warnung, nie zum FC Bayern zu gehen. Und, sollte Uli Hoeneß auf der Matte stehen, nicht einmal die Tür zu öffnen. Jedenfalls bekräftige Meppens Stürmer in dieser Woche, und das trotz all der Verletzungsprobleme in München, dass er vorhabe auch noch in einem Jahr in Meppen zu spielen.

Das trifft sich gut, denn die Erfolgsgeschichte des SVM ist noch lange nicht beendet. Und außerdem sollte Girth doch immer noch Tore in Meppen schießen, wenn seine Statue auf dem Stadionvorplatz enthüllt wird. Jubelnd. Mit Gipsfuß und Krücken in der Hand. Nie hat Meppen einen schöneren Jubel gesehen.

T.A.
Foto: Lars Schröer – Studio 205

Reifeprüfung

Eine Saison ist immer auch ein Prozess. Ein Prozess, in der eine Mannschaft verschiedene Entwicklungsschritte durchläuft. Umjubelte Triumphe gehören ebenso dazu, wie bittere Rückschläge. Der 3:2-Sieg über den Chemnitzer FC war ein eben solcher weiterer und neuer Schritt. Wir sagen: Hut ab.

Übertölpelt in Rekordzeit

18 Sekunden waren gespielt, da klingelte es durch Björn Kluft bereits im eigenen Kasten. Übertölpelt in Rekordzeit. Nach eigenem Anstoß. Wieder ein frühes Gegentor. Wie in Halle – in beiden Halbzeiten.

Doch das Team zeigte sich nicht geschockt. Im Gegenteil. Die erste Halbzeit war gewiss kein Glanzstück, doch Meppen hatte meist den Ball und wartete ruhig und geduldig auf sich bietende Chancen. Nicht kopflos, nicht unkonzentriert. Lücken waren in der Chemnitzer Hintermannschaft in der ersten Halbzeit aber fast nicht zu finden. Nur einmal wurde es wirklich im Sechzehner gefährlich, ansonsten blieb es bei Meppener Versuchen aus der zweiten Reihe.

Von fehlender Durchschlagskraft war aber spätestens nach dem Seitenwechsel nichts mehr zu spüren. Dass es einen Standard zum Ausgleich brauchte – geschenkt. Ob Girth an der Hereingabe von Leugers dran war? Völlig egal. Sechs Minuten später war Girth in jedem Fall am Ball – und drehte das Spiel.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

Die Kulisse war endgültig da. Meppen hatte das Spiel jetzt im Griff – so schien es. Doch der Gast schlug mit deren bestem Angriff der Partie nur drei Minuten später zurück. Slavov musste nur noch einschieben. Zu himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

Niemand der über 6000 Zuschauer hätte vermutlich gegen ein Remis etwas einzuwenden gehabt. Aber die Mannschaft ließ sich auch nach dem neuerlichen Nackenschlag nicht beirren und spielte weiter nach vorne. Wohlwissend, dass man so die Zuschauer in Meppen abholt. Im Emslandstadion wird offensiv gedacht. Immer wieder kombinierte das Team gut, ließ Ball und Gegner laufen, fightete um jeden Zentimeter. Für sich. Für die Zuschauer. Und spürbar für den Trainer, der unter der Woche einen schweren Schicksalsschlag verkraften musste. Stellvertretend für die ganze Mannschaft sei Ballmert als nimmermüder Dauerläufer hervorgehoben, der seine überragende Vorstellung im defensiven Mittelfeld mit einer Sahne-Vorlage zum 2:1 krönte.

Die offensive Ausrichtung brachte Chemnitz natürlich Räume und Möglichkeiten zum Kontern. Gebers und Vidovic blieben jedoch auch im direkten Duell Mann gegen Mann immer wieder ruhig und souverän. Gegen den imposanten Slavov musste zwar auch Vidovic mal das ein oder andere Kopfballduell verlieren, doch dann war Domaschke auf dem Posten.

Volleyabnahme hinein ins Glück

All die Mühe wurde belohnt. Langer Ball auf Girth. Der eingewechselte Deters, der mehr als deutlich gezeigt hat, auch in der 3. Liga eine Bereicherung sein zu können, gewinnt den zweiten Ball. Ball raus auf links. Flanke Vrzogic. Girth löst sich im richtigen Moment von Trapp. Volleyabnahme hinein ins Glück. 3:2, Deckel drauf.

Von der Emotionalität steht dieser Sieg den Erfolgen gegen Osnabrück und in Rostock kaum nach. Trotz erneuter Personalsorgen und frühem Rückschlag fährt das Team den vierten Heimsieg in Serie ein. Reifeprüfung? Bestanden.

H.N.
Foto: Nikita Teryoshin / 11Freunde

Sagen Sie nichts, verdammt

Wir müssen reden. Ganz dringend. Im wörtlichen Sinne.

Es gibt Dinge, vor denen man Angst hat, sie auszusprechen. Seiner Freundin zu sagen, dass da keine Liebe mehr ist. Seinem Chef die Kündigung vorzutragen. Oder dem Gegenüber zu vermitteln, dass er eine Suppennudel im Gesicht hat – Nein, sagen Sie jetzt nichts!

Und wir ahnen bereits, dass wir uns mit diesem Text nicht nur Freunde machen werden. Aber jetzt reicht‘s mal.

Ehrlicher Fußball

Im Prinzip läuft beim SV Meppen gerade alles optimal. Die Gefühlswelt ist geographisch wohl nahe an Wolke 7 zu finden. Und das liegt nicht, zumindest nicht nur, am sechsten Tabellenplatz und den drei Siegen aus den letzten drei Spielen. Nein. Es liegt an der Art, wie diese Mannschaft Fußball spielt.

Das ist nicht immer schön, aber immer ehrlich. Ein bisschen historisch. Denn genau dort, wo unsere Ahnen das Moor kultivierten, kämpfen heute elf Männern um jeden Quadratzentimeter Boden. Der emsländische Fußball ist dreckig, matschig und im Notfall – wussten schon unseren Vorfahren – brennt’s.

Es wird nur dann schön, wenn sich Räume für ein direktes, vertikales Spiel ergeben. Schnelle Pässe in den Rücken der Abwehr, zwei oder drei Stationen bis zum Tor. Das ist Meppener Ästhetik. Muss man mögen. Wir tun das.

In den vergangenen Wochen hat sich der SVM einen Ruf erarbeitet, dass kein Gegner noch glücklich ist, wenn auf dem Spielplan steht: Meppen. Denn dann geht’s zur Sache.

Rostock und Jena

Zur Folge hat das, dass die Fans anderer Vereine nach Spielschluss nicht immer begeistert sind. Weil es, im wahrsten Sinne, auf die Schnauze gab. Aber auch, weil es der SV Meppen z.B. in Jena und Rostock auch für Diskussionen gesorgt hat über deren Interpretation zumindest diskutiert werden darf. Der Ruf einer Schauspielertruppe, die mit zweierlei Maß misst, war geboren.

Der Verein, auch die von uns schon gescholtene Social-Media-Abteilung, hat das erkannt. Und nicht noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Strittige Szenen nicht noch aktiv herausgestellt. Und auch auf Nadelstiche gegen Gegner verzichtet. Denn der SV Meppen ist glücklich, im Konzert der Großen auch eine kleine Geige spielen zu dürfen. (Über Flammensymbole und den Einsatz von Ausrufezeichen kann an dieser Stelle ja trotzdem gestritten werden).

Also, alles gut? Könnte man denken. Und geht ins Internet.

Da ist es – Pardon – zum Kotzen. Jede noch so kleine Stichelei in den Kommentarspalten einschlägiger Seiten wie liga3-online.de, NDR oder dem eigenen Fanforum wird von einer Horde Meppener Internetsheriffs dankend angenommen. Jede Kritik unisono abgewiesen.

Stumpf ist Trumpf

Danach wird zurückkommentiert, bessergewusst und beleidigt inklusive Ossi-Klischees und Selber-Selber-Spruchbändern, bis auch der letzte Anhänger eines anderen Vereins niedergeschrieben und belehrt wurde, dass der SV Meppen unantastbar ist. Auf jeden Zug muss aufgesprungen werden. Kommt die Kritik aus den eigenen Reihen, dann wird sich notfalls mit der Anzahl an gesehenen Oberligaauswärtsspielen gemessen, das es eine einzige Fremdscham ist.

Nun, vielleicht ist das in der heutigen Zeit einfach so. Vielleicht lässt sich das gar nicht verhindern. Aber muss man sich damit zufrieden geben, dass das öffentliche Ansehen des SV Meppen durch einige Personen im Internet massiv geschädigt wird? Eher nicht.

Denn es liegt in der Natur der Sache, dass der Verein durch seine Spielweise polarisiert. Dass das nicht allen gefällt. Und bestimmte Szenen auch durch die eigenen Anhänger kritisch hinterfragt werden. Der Meppener Fußball ist ehrlich. Wunderschön. Nicht, oder nur äußerst selten, unfair. Das gilt es zu vermitteln.

Verein ist das, was man aus ihm macht

Seit dem Aufstieg verändert sich der Verein rasant. Weil er zurück ins Blickfeld der Fußball-Republik geraten ist. Die Mannschaft überzeugt mit einer ehrlichen Spielweise, manchmal am Rande der Legalität, aber mit Herz und Bescheidenheit, dass sich jeder identifizieren kann. Doch auch die Menschen rund um den Verein gestalten ihn, sowohl als auch, mit.

Die Internetrambos des Vereins sollten sich deshalb endlich ein Vorbild nehmen. Mal überlegen, inne halten – Nein, sagen Sie jetzt einfach mal nichts, verdammt!

T.A.

Hier bricht niemand ein!

Vor genau vier Wochen ging der SVM mit 0:4 in Unterhaching baden. An dieser Stelle schrieben wir damals, dass man auch aus dieser Klatsche positive Dinge mitnehmen, dass es der Warnschuss zur richtigen Zeit sein kann. Zugleich hörte man in seinem Umfeld und Bekanntenkreis von den üblichen Dauerpessimisten aber auch Sätze wie „die brechen jetzt total ein!“, oder „ab jetzt geht es bergab“.

Drei Spiele, neun Punkte und 4:0-Tore später kann man wohl getrost festhalten: Hier bricht niemand ein.

Sieg über eine Spitzenmannschaft

Nach dem verdienten, weil abgezockten Erfolg über Karlsruhe und dem brutal glücklichen Erfolg in Wiesbaden folgte heute die Krönung: Ein hochverdienter Sieg über eine Spitzenmannschaft der Liga.

Nach der umjubelten Nachricht der Kleinsorge-Verlängerung noch vor dem Anpfiff ging es von Beginn an munter weiter. Sowohl Meppen als auch Fortuna schienen in den ersten zehn Minuten Tag der offenen Tür feiern zu wollen – man hätte sich kaum wundern dürfen, wenn es 2:2 gestanden hätte. Doch nach der hektischen Anfangsphase kam plötzlich eine unheimliche Sicherheit ins Meppener Spiel.

Hinten stand man sicher, nach vorne kombinierte man vor allem über den bärenstarken Senninger und Granatowski mehrfach sehenswert. Lediglich das Tor fehlte – auch weil Girth sich heute zwar wieder mal hervorragend aufrieb, aber kein Glück im Abschluss hatte. Die starke Leistung wurde aber bereits zur Pause vom Publikum lautstark honoriert – völlig zurecht!

Was vor der Pause nicht klappte, gelang dafür schnell nach der Pause. Senninger setzte zweimal stark nach und wird im Strafraum gelegt. Leugers bedankt sich und verwandelt sicher.

Tempo fehlte

Wenn man dem Teams etwas vorwerfen mag, dann vielleicht, dass sie die sich bietenden Konterchancen mehrfach nicht clever genug ausgespielt hat. Ohne Kleinsorge und Granatowski, die beide raus mussten, fehlte aber schlicht und ergreifend auch Tempo im Spiel nach vorne. Kremer ist nicht so flink und Hyseni ohnehin ein gänzlich anderer Spielertyp.

Doch auch als es im finalen Fortuna-Sturmlauf nochmal eng wurde, hielt die Defensive beeindruckend Stand. Den Rest erledigte das Publikum, welches in der Endphase die Mannschaft wirklich irrsinnig stark unterstützte. Weniger als 7000 Zuschauer haben auch uns nach den letzten Spielen enttäuscht, den Leuten die da waren, kann man aber wirklich keinen Vorwurf machen. Gegen Chemnitz begreifen dann auch hoffentlich wieder mehr Leute, dass sich Stadionbesuche in Meppen im Jahr 2017 ziemlich lohnen.

H.N.

(Foto: Nikito Teryoshin / 11Freunde)

Willkommen in Fort Knox

1:0 gegen Fortuna Köln – Wahnsinn! Das Emslandstadion entwickelt sich mal wieder zur sichersten Festung seit Fort Knox. Wir fassen die 90 Minuten schnell zusammen. Das Spiel in GIFs.

Unsere Reaktion, als die Vertragsverlängerung von Marius Kleinsorge verkündet wurde: 

giphy

 

Wie Schiedsrichter Zorn auf Elfmeter entschied: 

 

Ob wir je daran gezweifelt hätten, dass Thilo Leugers den Strafstoß vergibt? 

 

Wie Eric Domaschke nach der Führung seine Abstöße ausführte: 

 

Wie wir die Schlussphase erlebten: 

 

Ach ja, wie geht es dem VfL Osnabrück eigentlich zurzeit? 

 

(Alle GIFs via giphy.com)

Zeichen gesetzt

Beim SV Meppen galt, spätestens seit dem Gang in die Unterklasse, seit jeher eine Regel: rechne immer mit Punkten, die du noch gar nicht hast.

Meistens war es dann so, dass jeder in der Stadt dir vorrechnen konnte, dass dieses Jahr der Aufstieg drinsäße, wenn der SVM nur aus den nächsten vier Spielen zwölf Punkte holen würde. Und dann das direkte Duell gegen [setze hier den Namen eines beliebigen Spitzenreiters ein] zu Null gewinnen würde. Dann würden auch wieder die Zuschauer kommen. Und Geld in die Kassen spülen. Und mit dem Geld würde der nächste Königstransfer gelandet. Dann würde alles wieder gut werden.

Meist ging der SV Meppen dann bereits sonntags mit 0:3 in [setze hier den Ortsnamen eines beliebigen Abstiegskandidaten ein] baden. Und in Meppen wurde neu gerechnet. Bis zum nächsten Wochenende.

Mal umgedacht

Mittlerweile ist in Meppen alles wieder gut. Meppen ist dritte Liga. Doch vielleicht ist das gar nicht das größte Wunder, das der Vorstand in den letzten Jahren geleistet hat. Es ist das Umdenken.

Gestern setzte Thilo Leugers sein Autogramm unter einen Vertrag, der bis zum Jahr 2020 datiert ist. 2020. Das sind zweieinhalb weitere Jahre, die dieser Mann beim SV Meppen bleiben wird. Eine verdammte Ewigkeit. Und die wahrscheinlich beste Nachricht seit dem 31. Mai 2017 – seit dem Aufstieg.

Thilo Leugers trägt nicht die Kapitänsbinde. Wahrscheinlich, weil jeder weiß, dass er sie überhaupt nicht benötigt. Und auch, wenn der SV Meppen durch und nur durch das Kollektiv zum Erfolg gekommen ist, gibt es immer Spieler, die hervorstechen. Die etwas häufiger einen guten Tag erwischen. Die, wenn sie einmal nicht auf dem Platz stehen, fehlen. Die vorangehen. Thilo Leugers ist so einer.

Einer geht voran

Vor ziemlich genau einem Jahr spielte der SVM beim Hamburger SV II. Als Spitzenreiter. Aber noch lange nicht als Meister. Kurz vor der Pause schoss Mirco Born die Truppe in Front. Direkt nach der Pause erhöhte Benni Girth auf 2:0. Hamburg verkürzte direkt. Ein Spiel auf Messers Schneide. Und der SVM erhielt einen Elfmeter. Leugers lief an – und schoss den Ball in die Arme des Torwarts.

Warum dieses Spiel trotzdem sinnbildlich ist? Weil Thilo Leugers sich zu diesem Zeitpunkt mit einer Leistenverletzung über den Platz kämpfte. Er biss wirklich auf die Zähne. Hielt den Laden zusammen. Und musste kurz nach dem verschossenen Elfmeter ausgewechselt werden. Was dann passierte: die Struktur auf dem Platz brach völlig zusammen, weil niemand den Laden noch zusammenhielt. Wie sehr man etwas vermisst, merkt man eben erst, wenn es fehlt. Meppen gewann. Doch an diesem Nachmittag war klar, wie wertvoll Thilo Leugers für den SVM noch werden könnte.

Und wohin es diese Mannschaft noch treiben würde: zu einem Team, im wörtlichen Sinne, das die Zuschauer wieder anzieht. Zur Meisterschaft. Zum Aufstieg. Zu etwas, das für die Ewigkeit bleibt.

Unbestritten aller fußballerischen Fähigkeiten: Thilo Leugers ist jemand, mit dem sich das ganze Emsland identifizieren kann. Ein Emsländer mit allen positiven Eigenschaften dieser Region.

Blutgrätsche und Zauberpass

Jemand, der Spaß am Fußball haben und zeitgleich um jeden Preis gewinnen will. Jemand, der mit dem dreckigsten Trikot vom Platz kommt und trotzdem noch zwei Zauberpässe gespielt hat. Und jemand, der so bescheiden ist, dass er diese Zeilen niemals über sich lesen wollen würde.

Mit seiner Vertragsverlängerung geht er – mal wieder – voran. Meppen kann mit ihm rechnen. Es zeigt, dass die Verantwortlichen nicht bis zum nächsten Wochenende denken. Dass sich etwas Langfristiges entwickelt. Dass der Aufstieg noch nicht das Ende war. Die Unterschrift Leugers’ ist jetzt ein enormes Zeichen an die Mannschaft. Ein Signal an alle Teamkollegen, die zurzeit noch keinen Vertrag über den Sommer hinaus haben. Zu diesem Zeitpunkt die beste Nachricht für den gesamten Verein.

Auf Leugers folgt Vrzogic

Keine 24 Stunden nach der Leugers-Verlängerung legt der Verein mit David Vrzogic nach. Auch er bleibt bis 2020. Auch er setzt ein deutliches Zeichen. Im Emsland fühlt man sich pudelwohl. Illustre Namen wie Borussia Dortmund, Bayern München oder Dynamo Dresden stehen in seiner Vita, doch in Meppen beziehungsweise wohl eher im Umkreis scheint er sesshaft werden zu wollen. Dabei hatte er zu Beginn gar nicht den einfachsten Stand. Es gibt dankenswertere Aufgaben für einen Neuzugang, als in Konkurrenz zu Dauerbrenner Sebastian Schepers zu treten. Dass Vrzogic dem Publikumsliebling so schnell den Rang ablaufen und dabei auch noch die Zuschauer völlig überzeugen konnte, ist seine größte Leistung.

Auch wenn er zuletzt häufiger auf der Bank saß – seine Dienste werden in dieser Saison mit Sicherheit noch oft genug benötigt. Dass auf ihn Verlass ist, wenn er auf dem Platz steht, hat er stets bewiesen.

T.A. & H.N.

»Meppen ist immer Miteinander«

Als Neuzugang hat sich Steffen Puttkammer perfekt beim SV Meppen eingefügt. Nach einem Riss des Außenbandes kämpft sich der Defensivmann gerade zurück in die Mannschaft. Wir haben mit ihm gesprochen. 

Steffen, normalerweise ist diese Frage ja verpönt, bei dir aber mehr als angebracht: Wie geht es dir? 

PUTTKAMMER: Ganz gut, vielen Dank. Ich habe in den letzten Wochen seit dem Bänderriss in Unterhaching ganz schön geschuftet. Jetzt steht das finale MRT an, dann werden wir sehen, ob die Verletzung nach Plan ausgeheilt ist. Es fühlt sich gut an und ich hoffe, dass ich ab der nächsten Woche wieder vorsichtig auf dem Rasen stehen darf.

Wie müssen wir uns deinen Alltag nach der Verletzung vorstellen? 

PUTTKAMMER: (lacht) Vom Ergometer geprägt. Jeden Tag habe ich meist zwei Trainingseinheiten geschoben, vor allem auf dem Fahrrad und im Kraftraum. Eine Verletzung hat also auch seine guten Seiten, ich konnte mal wieder mehr an den Gewichten arbeiten, ohne einen Muskelkater am Spieltag zu befürchten. Und immer wieder hat unser Co-Trainer Daniel Vehring nach mir geschaut und spezielle Stabilisationsübungen mit mir ausgeführt.

Lass uns einen Schritt zurückgehen. Im Sommer bist du zur Mannschaft gestoßen. Wie war dein Beginn beim SV? 

PUTTKAMMER: Großartig, ich war froh zu so einer homogenen Truppe zu stoßen, die von der Kameradschaft lebt. Von Anfang hatte ich ein gutes Gefühl.

»Die Gespräche mit Heiner Beckmann haben mich tief beeindruckt«

Du bist auch wegen der Familie gern wieder nach Niedersachsen gekommen. Gab es sonst eigentlich noch einen Punkt, der für den SV sprach?

PUTTKAMMER: Natürlich! Abgesehen davon, dass ich Christian Neidhart und Max Kremer bereits kannte, haben mich die Gespräche mit unserem Sportvorstand Heiner Beckmann tief beeindruckt. Er hat sich dafür interessiert, wer vor ihm sitzt, der wollte mich wirklich kennenlernen. Wollte wissen, ob meine Persönlichkeit auch zur Mannschaft passt. Ehrlich gesagt, hatte ich zur gleichen Zeit auch andere Angebote, sowohl aus dem Ausland als auch aus der dritten Liga.

Und jetzt bist du in Meppen.

PUTTKAMMER: Richtig, jetzt bin ich in Meppen. Als wir uns die erste Pleite in Münster abgeholt hatten, da habe ich befürchtet, dass die Leute nicht mehr kommen. Dass wir die Euphorie vielleicht verspielt hätten. Und dann kommen wir im nächsten Heimspiel aus der Kabine, und erleben diese Stimmung. Da wusste ich: alles richtiggemacht.

In letzter Zeit wurde vor allem der Mannschaftsgeist hervorgehoben. Wie hast du das aufgenommen? 

PUTTKAMMER: Das habe ich beim ersten Gang in die Kabine bemerkt. Da sitze ich neben Martin Wagner und Marius Kleinsorge und fühle mich pudelwohl – Grüße gehen raus. Jeder, der neu kommt, muss sich erst einmal anpassen. Aber die Jungs haben es mir einfach gemacht.

Im letzten Jahr hat die Mannschaft viele Teambuildingmaßnahmen gemacht und sich verschiedene Ziele gesetzt. Gab es das dieses Jahr auch? 

PUTTKAMMER Ja, tatsächlich. Wir haben uns vor der Saison in kleinen Gruppen zusammengesetzt, Ziele für die Saison überlegt und vor der gesamten Mannschaft vorgestellt. Daraus ist ein kleiner Kodex entstanden. Und auch ein Leitspruch, dass wir zwar eine kleine Stadt, aber auch ein großes Team sind. Der wird demnächst über der Kabinentür hängen. Und dann war da noch diese Kabinenparty …

Ja? 

PUTTKAMMER: … Ach, besser reden wir darüber nicht detaillierter.

»Die Dreierkette wird eine gute Alternative bleiben«

In deinem ersten Ligaspiel – gegen Würzburg – hat der Coach noch mit Dreierkette gespielt. Wieso ist das zurzeit kein Thema mehr? 

PUTTKAMMER Das stimmt, in den Testspielen gegen Twente und Utrecht hatte das System gut funktioniert. Danach sind wir wieder aber in das altbewährte 4-2-3-1 übergegangen, mit dem wir etwas besser zurechtkamen. Ich glaube trotzdem nicht, dass die Dreierkette schon ad acta gelegt wurde. Sie wird eine gute Alternative bleiben.

Gegen Würzburg hast du als Abwehrchef gespielt. Zuletzt warst du im defensiven Mittelfeld unterwegs. Welche Rolle gefällt dir besser? 

PUTTKAMMER: Zentral in der Dreierkette fühle ich mich schon sehr wohl, das habe ich auch in Magdeburg häufig gespielt. Der Coach kennt mich und weiß, dass ich auch im Mittelfeld spielen kann. Zusammen mit Thilo, dem Linksfuß, hat das bisher sehr gut funktioniert.

Du blickst auf zahlreiche Einsätze in der 3. Liga zurück und gehörst mit 29 Jahren auch sonst zu den erfahrenen Spielern. Wird von dir eine Führungsrolle erwartet? 

PUTTKAMMER: Mit Gebo, Vido, Thilo und Martin haben wir, denke ich, ein tolles Korsett. Aber natürlich will ich die Verantwortung annehmen und unser Spiel mitlenken. Aber bei uns, da kann sich jeder sicher sein, wird es eh nie eine One-Man-Show geben. Meppen, das ist nie allein, das ist immer Miteinander.

»Meppen, das ist noch wahrer Fußball«

Hast du eigentlich schon den Mythos Meppen erlebt? 

PUTTKAMMER: Mythos?

… dass der SV Meppen eben doch anders ist, als all die anderen Vereine.

PUTTKAMMER: Ich habe nach dem Spiel gegen Magdeburg ganz viele Nachrichten aus dem Auswärtsblock bekommen. Die waren alle so begeistert von der Stimmung, die hier herrscht und wollen unbedingt nächstes Jahr wiederkommen. Meppen, das ist noch wahrer Fußball, habe ich gelesen. Meppen, das ist Fußballromantik. Ich glaube, das trifft es.

 

T.A.

Zurück in der Realität

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt? Nur drei Tage nach dem famosen Derby-Sieg über den VfL gehen wir in Unterhaching mit 0:4 baden. Soll man das Gastspiel im tiefsten Süden jetzt schulterzuckend abhaken, oder doch in Panik ausbrechen? Weder noch, es ist ein enorm wichtiger Warnschuss.

Es gibt sie eben, diese rabenschwarzen Tage. In denen du – gerade als Aufsteiger – in einer 38 Spiele langen Saison nicht wie ein Uhrwerk immer und immer die gleiche Leistung abrufen kannst. Na klar hat die vergangene Woche ihre Spuren hinterlassen. Eine weite Anreise nach Jena. Ein Spielverlauf, über den tagelang auf der ganzen Welt diskutiert wurde. Einen Derby-Sieg, auf den wir 25 Jahre warten mussten. Eine Anreise per Flugzeug durch das ganze Land. Das schlaucht.

Unkonzentrierte Spielweise

Nichtsdestotrotz muss man nach einer solch herben Niederlage gegen einen von Verletzungsproblemen gebeutelten Mitaufsteiger auch den Finger in die Wunde legen dürfen. Denn irgendwie wirkte das Team – nicht unbedingt von Beginn an, aber spätestens ab der zehnten Minute – unheimlich unkonzentriert und fahrig in den eigenen Aktionen.

Beim 0:1 kann die Situation schon nach dem abgeblockten Hain-Versuch geklärt werden. Doch Haching ist wacher, kriegt den zweiten Ball und bringt die Flanke, bei der sich Vrzogic dann auch noch kapital verschätzt. Beim 0:2 hebelt ein (toller) Bigalke-Pass die ganze Abwehr aus und Jesgarzewski realisiert den (guten) Laufweg von Dombrowka nicht rechtzeitig. Beim 0:3 kann der 1,78 Meter große Hain nach einem Freistoß unbedrängt einköpfen, während vier Meppener um ihn herum stehen. Beim 0:4 lässt man sich dann zur Krönung noch auskontern.

Mehr als die halbe Liga steckt im Abstiegskampf

Vielleicht war das heute ja auch der nötige Warnschuss zur richtigen Zeit. Dass man gegen keinen Gegner in dieser Liga auch nur ein paar Prozente weniger geben darf. Das beweisen ja auch die anderen Ergebnisse des heutigen Tages. Platz zehn nach zehn Spielen ist vermutlich mehr, als die meisten vor der Saison erwartet haben. Doch beim Blick auf die Tabelle sieht man schnell, wie verflucht eng diese Liga ist. Stand Samstagabend kommt der ruhmreiche KSC am nächsten Wochenende als Schlusslicht nach Meppen. Mit einem Sieg gegen Erfurt am Sonntag, kann der KSC theoretisch bis auf den neunten (!) Platz klettern.

Es zeigt: Ausruhen geht nicht. Der Abstiegskampf beginnt bei Hansa Rostock auf dem achten Platz.

H.N.

Foto: menkyyry

Wer ist hier der Dumme?

Die Szene des Spiels, vielleicht sogar des Wochenendes, endete aus Meppener Sicht äußerst negativ. Mit dem 1:2, dem Beginn einer Aufholjagd und dem Verlust von zwei Punkten. Nur: wer war schuld? Hätte Jena fairer spielen müssen, oder Nico Granatowski den Ball auf die Tribüne donnern müssen? In der Redaktion waren wir uns uneins. Deshalb: Pro und Contra.

Eine folgenschwere Dummheit

Wir brauchen nicht darüber diskutieren, ob die Aktion von Eismann unsportlich war oder nicht. Da kann es keine zwei Meinungen geben. Dass sich die Jenaer Verantwortlichen dann auch noch nach dem Spiel hinstellen und in peinlicher Art und Weise rumdrucksen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Das ändert nichts daran, dass wir selbst Schuld sind, in grob fahrlässiger und dummer Weise am Samstag zwei Punkte verschenkt zu haben.

Granatowski hat in der Szene zwei Möglichkeiten. Entweder er spielt weiter, oder er drischt die Kugel ins Aus. Auf keinen Fall aber darf er mit dem Ball am Fuß das Spielen einstellen, schon gar nicht in zentraler Position quasi als letzter Mann. Das lernt man in der E-Jugend. Die Spieler sind ohnehin vor der Saison nochmal darauf hingewiesen worden, dass bei angeblichen Verletzungsunterbrechungen einzig und allein der Schiedsrichter entscheidet, ob das Spiel unterbrochen werden soll. Ein Pfiff war in der Szene nicht erkennbar.

Jena ist Tabellenletzter, lag nach 55 Minuten 0:2 gegen den „Abstiegskandidaten Nummer 1“, wie gerne vor der Saison propagiert wurde, zurück und spielte einfach nur schlecht. Auf gar keinen Fall möchte ich Verständnis für Eismanns Verhalten entwickeln, aber dass ihn in der Situation Fair Play nicht weiter interessierte, überrascht mich nicht sonderlich. Wie sich mein Gegner verhält, kann ich als Spieler nicht steuern, mein eigenes Verhalten aber schon.

Die Dummheit war folgenschwer: Ein klinisch toter Gegner ist durch den Anschlusstreffer wieder zum Leben erweckt worden, während wir bei jeglicher Wut und jeglichem Hadern vergessen haben, weiterhin Fußball zu spielen. Dass Jena am Ende den Ausgleich erzielt war angesichts des Spielverlaufs nicht nur erwartbar, sondern auch irgendwo nicht unverdient. Aber es war halt vollkommen unnötig, denn ohne besagte Szene aus der 57. Minute schießt Jena im Leben kein Tor. Immerhin dürfte Granatowski solch ein Fauxpas nicht nochmal passieren.

H.N.

Sei kein Arschloch

„Schlaf eine Nacht drüber“, lautet ein Grundsatz meiner Mutter, aus dem Potpourri eines kleinstädtischen Wertekanons, der auch Dinge enthält wie „Was du nicht willst, was man dir tut, das füg‘ auch keinem anderen zu“, oder „Kleine Sünden bestraft der liebe Gott zuerst“. Kurz gesagt: sei einfach kein Arschloch.

Auf dem Fußballplatz wird zugegebenermaßen – und Gott sei dank! – weniger Wert auf christliche Normen gelegt. Aber worauf sich seit Kindertagen alle geeinigt haben, sind gewisse Regeln des FairPlays und der Grundsatz, das Spiel zu unterbrechen, wenn sich einer verletzt hat. Soweit ich weiß, gilt das noch immer.

Genau das geschah gestern in Jena. Ein Jenaer Spieler bleibt verletzt liegen, windet sich, nach mehreren Passstationen hält Nico Granatowski den Ball an. Was dann geschieht, ist mittlerweile in jedem Medium und in jeder Kommentarspalte zu sehen und zu lesen. Sören Eismann läuft als Einziger weiter, stiehlt den Ball, läuft aufs Tor zu und trifft zum 2:1.

Es gibt gleich mehrere Dinge in diesem Moment, die den FairPlay-Gedanken mit Füßen treten.
1.) Während alles anhält, beginnt Granatowski eindeutig mit dem heraneilenden Eismann zu kommunizieren, inklusive Augenkontakt. In diesem Moment, und auf den darauffolgenden 25 Metern, hätte Eismann genügend Gelegenheit gehabt, um über sein Handeln nachzudenken.
2.) Dem Kapitän sollte nicht mehr Spott entgegengebracht werden als unbedingt nötig. Was ich mich aber frage: wo sind eigentlich seine zehn Mitspieler inklusive Trainerbank? Haben die alle jeglichen Sinn für das FairPlay verloren? Es gibt genügend Beispiele, in denen anschließend die benachteiligte Mannschaft beim Wiederanpfiff aufs Tor stürmen durfte, um den alten Abstand wiederherzustellen.
3.) Allen – außer Eismann – ist klar, warum Granatowski den Ball stoppt und nichts macht. Wegen eines verletzen Spielers. Wegen des FairPlays. Zugunsten Jenas. Der SVM erhielte durch eine Spielunterbrechung keinen Vorteil. Warum der Schiedsrichter, der als einziger das laufende Spiel unterbrechen darf, hier nicht laut Regelwerk auf eine verzögerte Spielunterbrechung nach dem Zweikampf entscheidet, bleibt mir schleierhaft.

Ich habe auf meine Mutter gehört, eine Nacht darüber geschlafen, und halte es immer noch für besser, kein Arschloch zu sein. Oder um hier mit dem Satz einer anderen Mutter zu enden: Dumm ist der, der dummes tut.

T.A.

 

Bild: Screenshot mdr.de